Für Kinder

  



Nikolaustag


Tief verschneit und eisig kalt,
wer stapft da durch den finsteren Wald?
Mit einem schweren Sack beladen,
könnt ihr es sicher schon erraten.
Bald klopft er an unser Haus,
der gute, alte Nikolaus.

Viel, schöne Sachen bringt er dann,
ist froh, wenn er mal ausruhen kann.
War ein Kindchen lieb und brav,
sich aus dem Sack, was nehmen darf.

Auch für die Bösen ist was drin,
denn Schimpfen hat heut’ wenig Sinn.
Heut’ soll Freud und Friede sein,
für jeder Mann, ob groß, ob klein.

Wenn das Säcklein endlich leer
und auch gar nicht mehr so schwer,
stapft er wieder in den Wald hinaus,
der gute, alte Nikolaus.

@Rita Hajak




 


Der Mann im Mond

Egon weilte in seinem Zimmer, presste seine Nase an der Fensterscheibe platt. Regentropfen liefen wie kleine Glasperlen die Scheiben hinab. Es erinnerte den zehnjährigen Jungen an die Tränen, die er geweint hatte, als seine Mutter vor drei Jahren gestorben war. Leichter war es ihm bisher nicht geworden. Eine stete Traurigkeit schwebte über ihm.
 »Komm zum Essen, Egon«, rief seine Großmutter, bei der er sich einige Tage aufhielt. Sein Vater war auf Geschäftsreise, seine ältere Schwester übte für die Abi-Prüfung. Lustlos stocherte er in seinem Essen herum. »Iss, Junge, iss.« Die Großmutter fasste sich stöhnend an den Kopf. »Die Schmerzen sind kaum zu ertragen«, jammerte sie. »Heute Nacht ist Vollmond, danach werden sie hoffentlich wieder verschwunden sein.« Als Egon das Wort Vollmond hörte, besserte sich seine Stimmung und er aß geschwind seinen Teller leer. »Hat gut geschmeckt, Oma, darf ich auf mein Zimmer gehen?«
 »Geh nur, ich lege mich etwas hin.«
Als es dunkel wurde, stellte sich Egon ans Fenster und träumte sich in das Herz seiner Mutter.
Sie trat hinter ihn, legte sanft ihre Hände auf seine Schulter und küsste seinen Scheitel. Er spürte, dass sie bei ihm war. Der Regen war verschwunden, nur noch ein paar Wölkchen waren am Himmel zu sehen. Sterne lugten hervor und ein besonders schöner Mond leuchtete herab. ›Siehst du ihn, den Mann im Mond?‹, fragte die Mutter. ›Er weiß so viele schöne Geschichten zu erzählen. Wenn du aufmerksam zu ihm hinaufschaust, kannst du sie hören.‹ Daraufhin brachte sie ihn zu Bett und begleitete ihn, mit ihrer beruhigenden, liebevollen Stimme in den Schlaf.
Eine Träne lief über seine Wange, aber er war von Frieden erfüllt und seiner Mutter ganz nahe.




Lulu und Balduin 

Es hatte aufgehört zu regnen.

Gelangweilt schlenderte Lulu durch das Unterholz. Er wusste nichts mit sich anzufangen. Der Zwerg schaute zum Himmel und öffnete den goldenen Knopf seiner grünen Jacke. Die Wolken brachen auseinander und die Sonne warf ihre Strahlen auf das feuchte Laub. Die Erde dampfte. Etwas fiel ihm vor die Füße. Er hob es auf. Es war eine Walnuss. Er vermutete, dass sie einem Eichhörnchen herabgefallen war.
 »Aua, pass doch auf«, hörte er ein feines Stimmchen ärgerlich rufen. Lulu hielt in seiner Bewegung inne und schaute sich um.
 »Wer und wo bist du!«, rief er erstaunt.
 »Ich bin hier. Willst du mich mit deinen großen Füßen platt treten?« Ein winziges Männlein kroch unter einem Berg von Blättern hervor, stemmte seine Ärmchen in die Hüfte und schaute den Zwerg vorwurfsvoll an.
 »Entschuldige, was bist du denn für ein Wicht. Dich habe ich hier noch nie gesehen?«, fragte Lulu. Über sein Gesicht flog ein Lächeln.
 »Kannst du auch nicht. Ich bin viel zu klein. Mich sieht keiner so schnell. Ich bin Balduin, ein Wichtel.« Da stand er, fußhoch, mit seinem roten Mäntelchen, seiner blauen Hose und der roten Zipfelmütze.
 »Freut mich. Ein großer Name für so einen kleinen Kerl«, sagte Lulu. Dann lachte er. »Kannst nichts dafür; lass uns Freunde sein. Ich heiße Lulu und bin ein Zwerg.«
Jetzt lachte auch Balduin. »So hat jeder seine Probleme. Einverstanden, wir sind nun Freunde.«
 »Toll, und was machst du so?« Lulu schaute ihn gespannt an.
 »Wichtiger ist, was ich machen möchte«, sagte Balduin.
 »Und, was möchtest du machen?«
 »Ich möchte eine Familie gründen.«
 Lulu schaute ihn nachdenklich an. »Wo liegt das Problem?«
 »Das Wichtelmädchen, das mir gefällt, interessiert sich nicht mehr für mich.« Es klang sehr traurig.
 »Woher weißt du das?«, fragte Lulu.
 »Wenn ich in ihre Nähe komme, geht sie sofort ins Haus. Früher war das anders. Wir haben uns regelmäßig getroffen und uns ineinander verliebt.« Der Wichtel schniefte. »Auf einmal war alles vorbei.«
 »Das wird seinen Grund haben«, sagte Lulu, »aber ich glaube nicht, dass du schuld daran bist. Du musst herausfinden, warum sie das tut. Oder sprich mit ihrem Vater.«
 »Das traue ich mich nicht«, gab Balduin offen zu. »Er ist sehr streng.«
 »Gut. Dann lass uns überlegen, wie wir das geschickt anstellen. Ich helfe dir dabei«, sagte Lulu.
 »Du bist wirklich ein Freund, danke.«
Es knackte und raschelte im Unterholz.
 »Da kommt wer, verstecken wir uns«, flüsterte der Zwerg und zog den kleinen Wichtel hinter einen Baum. Gerade noch rechtzeitig, bevor eine Gestalt rasend schnell an ihnen vorübereilte.
 »Das war Mina, die Hexe. Sie ist zurück aus dem Urlaub und treibt sicher ihr Unwesen. Wenn sie jemand findet, den sie ärgern oder gar quälen kann, ist sie glücklich«, flüsterte Lulu.
 »Du kennst sie persönlich?«
 Der Zwerg kicherte. »Ich habe sie beobachtet und belauscht. Sie hat mit Gotha, dem Riesen, gesprochen. Die beiden sind ein Paar. Sie streiten sich ewig und es scheint ihnen Spaß zu machen. Wenn sie aber eine Gemeinheit planen, halten sie zusammen, wie Pech und Schwefel.«
»Sag schon, was hast du gehört?«, wollte Balduin wissen.
Lulu zögerte einen Moment. »Ich hörte, wie Mina sagte: Ich bringe dir eine wunderschöne Tochter.«
Was könnte sie damit gemeint haben?« Der Wichtel war nachdenklich geworden. »Kommst du mit, ins Wichteldorf, es ist nicht weit von hier?«
 »Gerne. Da kann ich mir deine kleine Freundin mal anschauen, ganz unauffällig«, antwortete Lulu.

Sie kamen an eine Lichtung und sahen die Hexe tanzen. Sie sang ein Lied. Ein Liebeslied: ›Oh mein geliebter Gotha-Mann, ich denke immer nur daran, was ich dir so schenken kann. Lala lala …, dann fiel es mir ganz plötzlich ein, ich schenke dir, ein Wichtel klein. Lala lala … ‹
 »Was meint sie mit Wichtel klein?« Balduin blickte mürrisch. »Sie meint doch wohl nicht mich?«
 »Dich nicht. Aber vielleicht deine Freundin?«
 »Du meine Güte. Will sie mir am Ende stehlen, was ich begehre?« Der Wichtel war außer sich. »Das darf nicht sein.«
Sie bogen in einen Seitenweg ab und waren kurze Zeit später im Wichteldorf.
 »Ihr wohnt schön hier«, sagte Lulu, »aber etwas zu klein für mich.«
 »Ziehe deinen Kopf ein, wenn du durch die Tür trittst«, sagte Balduin.

Seine Eltern freuten sich über den Besuch von Lulu. Einen solchen Gast hatten sie bisher nicht.
Balduin stieß Lulu in die Seite. »Da ist sie. Schau nur, wie hübsch sie ist.« Der kleine Wichtel deutete aufgeregt aus dem Fenster.
»Immer mit der Ruhe«, sagte Lulu, »ich versuche, sie auszuhorchen. Wie ist ihr Name?«
»Fee.«
Schnell verließ Lulu das Wichtelhaus und ging der Kleinen hinterher. Bevor er sie erreichen konnte, stand die Hexe neben ihr. Er konnte sich hinter einen Busch retten und sperrte die Ohren weit auf.
»Was hast du in deinem Korb?«, hörte er Mina freundlich fragen.
»Ich habe Walnüsse gesammelt«, antworte Fee mit zarter Stimme.
Die Hexe verzog das Gesicht und trat einen Schritt zurück. Nüsse mochte sie gar nicht leiden. »Du weißt, was ich dir gesagt habe? Gehe Balduin aus dem Weg. Er plant, dich weit fortzubringen von deiner Familie, will dich für sich allein. Das ist keine wahre Liebe, denke immer daran.«
Fee nickte, sagte aber kein Wort.
Jeder, der die Hexe ansah, konnte ihr falsches Lächeln erkennen. Fee aber schaute eingeschüchtert zu Boden.
 »Ich lade dich ein, dann können wir bereden, was zu tun ist. Ich hole dich morgen ab. Sei gegen Mittag auf der Lichtung«, sagte Mina und schaute sehnsüchtig auf Fees dunkle Lockenpracht.
So schnell wie die Hexe erschienen war, verschwand sie wieder.
Lulu ging pfeifend zu Balduin zurück, der an der Tür auf ihn wartete.
 »Hast du etwas erfahren?«, fragte der Wichtel.
Lulu nickte und erzähle, was er gehört hatte.
 »Das müssen wir verhindern, sie lässt Fee nie wieder gehen«, sagte Balduin verzweifelt.
 »Wir werden sie morgen auf der Lichtung in Empfang nehmen«, versprach Lulu.
Im Wichteldorf hatte sich Minas böse Absicht schnell herumgesprochen und Wut bei den Wichteln ausgelöst.

Am nächsten Tag warteten Lulu und Balduin in der Nähe der Lichtung in einem Versteck. Die Hexe war schon da und hielt Ausschau nach Fee. Leichten Schrittes kam das kleine Wichtelmädchen den Weg entlang.
 »Komm her zu mir!«, rief Mina ihr zu. Sie standen sich gegenüber und die beiden Freunde sahen, dass Fee zu ihr aufblickte und dann zurücktrat, als hätte sie sich erschrocken.
 »Sie muss erkannt haben, dass die Hexe es nicht ehrlich mit ihr meint«, flüsterte Lulu.
Die Hexe riss Fee besitzergreifend an sich und schrie: »Du gehörst nun mir. Du bist ein Geschenk für meinen Gemahl.«
 Das Wichtelmädchen versuchte, sich zu befreien. »Du hast mich belogen. Ich habe dadurch meinen lieben Balduin verloren. Das verzeihe ich dir nie. In der Hölle sollst du schmoren«, rief Fee außer sich.
Minas Gesicht alterte sekundenschnell. Sie brach in ein gehässiges Gelächter aus. »Du kannst mir nicht mehr entkommen. Ich brauche dich, um jung zu bleiben. Deine Schönheit, deine Anmut, deine Jugend, solange bis du alt und runzelig geworden bist.«
 »Wir müssen eingreifen. Jetzt«, flehte Balduin Lulu an.
 »Du hast recht, komm.«
Sie traten aus ihrem Versteck und liefen zur Lichtung.
 »Lass sofort meine Fee los, du böse alte Hexe!«, rief der Wichtel.
 Mina lachte. »Was willst du unternehmen, du kleiner Besserwisser?«
 Lulu trat einen Schritt nach vorn. »Zwinge mich nicht den einzigen Zauber meiner Ahnen anzuwenden«, drohte er. »Ich verliere ihn ungern, aber für meinen Freund und seine Fee würde ich es tun.«
 Die Hexe war blass geworden. Sie kannte den qualvollen Zauber der Zwerge nur zu gut und hatte großen Respekt davor. »Das wagst du nicht!«, schrie sie.
 »Das ist auch nicht nötig«, vernahmen sie eine tiefe Stimme und ein Knistern und Rascheln im Unterholz war zu hören.
Hunderte Wichtel kamen zum Vorschein und ganz vorn weg, der Vater von Fee. Er hatte einen Korb in der Hand, in den nun alle Wichtel hineingriffen.
 »Und los jetzt!«, rief Fees Vater.
 »Neiiiiin!«, schrie die Hexe, als sie mit Walnüssen bombardiert wurde. Sie drehte sich im Kreis, nicht fähig, davonzueilen. Sie wurde immer älter und runzeliger. Ein gewaltiges Geräusch raste durch den Boden, als würde die Erde beben. Ein großes Loch tat sich auf, zog die Hexe herab, und schloss sich wieder.
 »Ab in die Hölle«, sagte Lulu und schlug seinem Freund Balduin – der wie erstarrt zugeschaut hatte – auf die Schulter.
 Fee lief zu ihrem Freund und umarmte ihn. »Ich schäme mich, dass ich Mina geglaubt habe. Sie hat mich verhext. Ich bin glücklich, dass ihr alle geholfen habt, mich zu retten.«
Balduin drückte sie fest an sich, trat dann einen Schritt zurück und kniete sich vor ihr hin.
 »Meine liebe Fee, willst du meine Frau werden.« Er hielt den Atem an, als sie mit einem kurzen Blick zu ihrem Vater schaute.
 Dieser nickte und Fee sagte feierlich: »Mein lieber Balduin, ja, ich will! Tosender Beifall und fröhliches Lachen hallte durch den Wald.

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