Dienstag, 9. April 2024

Segeltörn

  

Bildquelle Mike-Bird - Pixels

  Sie benötigte Ruhe, gönnte sich ein paar Tage Pause. Arne hatte sie vor drei Monaten verlassen. Sein Unfall-Tod mit dem Motorrad kam unvorbereitet und traf sie tief ins Herz. Seelenqual. Oft hatte sie ihn ermahnt, vorsichtiger zu fahren. Ella seufzte. Sie saß am Strand und blickte über das Meer. Es war neblig. Ein kühler Wind wehte ihr ins Gesicht.
Aus einiger Entfernung sah sie ein Segelschiff, dem sie wehmütig hinterher träumte. An den Segeltörn mit Arne erinnerte sie sich lebhaft. Sie waren sich nähergekommen. ›Du siehst heute verteufelt gut aus, so sexy‹, hatte er ihr zugeflüstert. ›Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine so schöne, verführerische Frau gesehen zu haben.‹ Seine Augen sprühten Funken.
›Jetzt übertreibe mal nicht‹, hatte sie errötend erwidert.
›Ich sage nur die Wahrheit.‹ Zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne aus ihrem hübschen Gesicht. Danach waren sie unzertrennlich.
 Sie hatten von Heirat gesprochen und wollten sich um einen Termin bemühen. Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie daran dachte.
›Die Zeit heilt alle Wunden‹, hatte ihre Freundin gesagt, die sie zu einem Kurz-Urlaub überredet hatte. Nur ein Spruch, dachte Ella. Wann ist der Zeitpunkt gekommen, der die Wunde heilt?
Es war kühl geworden, sie fröstelte. Was mache ich hier allein? Schweren Herzens erhob sie sich und ging in ihr Appartement zurück.
Davor stand ein Wagen. Den kenne ich doch? Das gibt es nicht.
 Sie rannte direkt in die Arme ihrer Freundin Lea. »Ich benötige zwei Tage Auszeit«, sagte Lea, »die möchte ich gern mit dir verbringen.«
 »Ich freue mich so«, schluchzte Ella.
 »Wie wäre es mit einem Segeltörn?«, fragte Lea.
 »Gute Idee«, stimmte Ella zu. »Zur Erinnerung an Arne.«


Mittwoch, 13. März 2024

In den Brunnen gefallen

  

 © Jutta M. Jenning/ www.mjpics.de

 Ich erinnere mich genau an den Tag, als es geschah.
›Jeden Sonntag ging ich mit meiner Mutter und meiner achtjährigen Schwester zum Friedhof, um Großvaters Grab zu besuchen. Es war seit zwei Jahren ein festes Ritual. Heute war ein schöner Sommertag, die Blumen auf dem Grab benötigten Wasser. Quirlig und lebendig, wie ich mit meinen sechs Jahren nun mal war, ergriff ich das Eimerchen und spazierte voraus.
 »Mama, ich gehe zum Brunnen«, sagte ich.
 »Bleibe vom Wasser weg, ich komme nach!«, rief sie.
Meine Schwester blieb an Mamas Seite. Sie war das ruhigere Kind von uns beiden. Ich stand vor dem Brunnen und schaute ins Wasser, das bis zum Rand reichte. Mein Gesicht spiegelte sich darin. Etwas Wasser schaufeln kann nicht schaden, dachte ich, nahm mein Eimerchen, beugte mich über den Rand und tauchte es hinein. Unter mir befand sich eine Pfütze. Wie könnte es anders sein? Ich rutschte, bekam das Übergewicht und schon ging es kopfüber in den Brunnen. Ich sah mit geöffneten Augen, dass ich mit dem Kopf im Eimer streckte. Meine Mutter, die mir nachgeeilt war, bekam einen Schock, als sie meine Füße aus dem Brunnen herausragen sah, wie sie später erzählte. Nun gut, sie rettete mich. Ich bekam das Kleid meiner Schwester, sie ging in Unterwäsche nach Hause.
 »Das Kind war mindestens zwei Minuten unter Wasser und kann unmöglich etwas gesehen haben«, meinte später ein Arzt. »Es sei denn, sie steckte in einer Luftblase. Dennoch ein Wunder, dass sie nicht ertrunken ist. Sie hatte einen Schutzengel«, sagte er.‹
Seitdem meide ich tiefe Gewässer, bis heute.





Samstag, 3. Februar 2024

Endlich vereint

 

Fotoquelle Vera Arsic - Picsels.com

Schlaflose Nächte, Kopfschmerzen, Unwohlsein. Was soll ich tun? Gibt es die richtige Entscheidung? Ich habe Angst, ihn zu verlieren.
Der Satz, ›ich muss für ein Jahr nach Afrika‹, hat mich umgehauen. Mein Freund Gregor ist Arzt und im Rahmen eines Hilfsprojekts wurde er damit betraut. Klar hätte er ablehnen können, doch der angebotenen Übernahme der Klinikleitung, nach seiner Rückkehr, hätte er ade sagen müssen.
 »Was meinst du dazu?«, fragt er mich Tage später und übergibt mir die Verantwortung, ihm den richtigen Rat zu erteilen.
 Gregor grinst mich an und schlägt vor: »Komm doch mit. Es wird sogar begrüßt, von seiner Partnerin oder Ehefrau begleitet zu werden. Ich habe bereits vorgefühlt.«
 Ich schnappe nach Luft. »Wann fliegst du?«
 »In drei Wochen!«
 »Ich bin nicht deine Ehefrau und als Liebchen ist mir das alles zu unsicher«, sage ich und schaue ihn lauernd an.
 »Lena, du weißt, dass ich dich liebe. Lass uns heiraten, dann steht uns nichts mehr im Wege.« Er nimmt mich in den Arm, als ich ihn zweifelnd ansehe. »Ich meine es ernst«, flüstert er mir ins Ohr. »Wir bekommen bestimmt schnell einen Termin auf dem Standesamt, wenn wir die Situation erklären.«
Jegliche Angst und Unsicherheit fallen von mir ab. Mein langersehnter Wunsch, seine Frau zu werden, würde sich schneller erfüllen als gedacht. Ich könnte ihm eine große Hilfe sein, da ich Krankenschwester bin.
 Meine Entscheidung ist gefallen. »Ja, mein Lieber, ich werde dich als deine Ehefrau begleiten.«
Überglücklich schwenkt er mich im Kreis, stellt mich behutsam ab und küsst mich. 

Samstag, 27. Januar 2024

Disco-Night

 

Foto Reinhardz RDHZ bei Pixels.com

  

Nach einem superschönen Abend in der Disco, war es für uns Mädels Zeit nach Hause zu gehen. Wir waren sechzehn und wollten unseren Eltern keinen Anlass geben sauer zu sein. Ella, Susi und ich gingen ein Stück die Landstraße entlang zur Bushaltestelle.
  Ella schaute auf die Uhr. »Der letzte Bus müsste in zehn Minuten eintreffen.«
  Susi sagte: »Hört ihr das?«
  »Ja«, antwortete Ella. Gegröle und Gelächter. »Ich vermute, es ist Hansi und seine Begleiter. Die machen alles, was er sagt.«
  »Ihr wisst, was die anstellen, auch mit den Mädchen? Wenn die getrunken haben, kennen sie keine  Scham mehr. Die sind zu fünft, da haben wir kaum eine Chance«, meinte ich besorgt.
  »Wir müssen hier weg, bevor sie uns sehen.« Susi wirkte aufgeregt.
  »Zu spät, sie haben uns entdeckt«, flüsterte Ella.
  »Auf zur Burg.« Meine Stimme zitterte.
  »He, ihr Süßen, wo lauft ihr hin?«, rief Hansi.
  »Los jetzt«, brüllte ich.
Wir liefen in den Wald hinein. Der Weg ging steil nach oben.
  Susi schluchzte. »Was machen wir, Gabi«? fragte sie und hielt mich am Arm fest.
  »Sie dürfen uns nicht kriegen. Also, Bewegung«, stöhnte ich, nahm das Handy und rief meinen Vater an. In Kurzform erklärte ich ihm die Situation und bat ihn zur Burg hinaufzufahren.
  »Ich komme«, brüllte er.
  Die Meute kam näher.
  »Macht schneller, wir dürfen nicht stehenbleiben«, feuerte ich meine Freundinnen an.
Minuten später hatten wir es geschafft, aber die Jungs waren bereits hinter uns und versuchten uns in die Burg-Ruine zu zerren.
  Scheinwerferlicht, ein Auto kam heran. Blinkte und hupte,  bremste. Ein Mann stieg aus. »Ihr Mistkerle, lasst sofort die Mädchen los!«, rief mein Vater.
Eingeschüchtert verschwand die Meute im Wald.
Wir waren gerettet und sehr erleichtert. Eine Standpauke erhielten die Jungs von ihren Eltern, die mein Vater verständigt hatte.

Freitag, 19. Januar 2024

Fenster zum Innenhof

 

Täglich sitze ich in meinem Rollstuhl am Fenster und schaue hinaus. Kläglichen Schreie, jeden Tag, belasten mich, aber ich weiß nicht, woher sie kommen.  Die hellen Schreie, vermutlich von einem Kind, bereiten mir Sorgen. Ich beschließe, die Angelegenheit morgen der Polizei zu melden. Sie werden mich für verrückt halten, aber das ist mir egal. Pflicht ist Pflicht, basta!  
In diesem schrecklichen Haus gibt es nur Fenster zum Innenhof. Heute scheint die Sonne. Wie immer sitze ich an meinem Platz und schaue den Vögeln zu, wie sie Brotkrümel aufpicken, die sicherlich die kleine Sabine hingeworfen hat. Mein Blick wandert an der mir gegenüberliegenden Häuserwand entlang, verharrt im ersten Stock an einem Fenster. Ich sehe ein Kind und einen Mann, der sich hinter sie stellt, es an den Haaren packt, und nach hinten reißt. Schreie folgen, ich erkenne sie wieder. Es sind die gleichen, die ich immer höre. Etwas geschieht in dieser Wohnung, was nicht sein darf. Ich habe Angst. In diesem Moment zerschellt Glas. Die Schreie werden lauter, qualvoller, dann ist es still.
Eine gefährliche Stille. Ich kann nicht warten, bis mein Mann nach Hause kommt, ich muss handeln. Sofort. Ich greife nach dem Handy, das ich immer bei mir trage, und wähle die 110. Stotternd berichte ich, was ich gesehen und gehört habe. Der Polizeibeamte verspricht, eine Streife vorbeizuschicken. Ich bin müde, hieve mich ins Bett.
Als mein Mann nach Hause kommt, wache ich auf.
»Hallo, Liebes, hast du schon gehört?«, fragt er, »in der gegenüberliegenden Wohnung ist ein Vater verhaftet worden, der seinem Kind sehr wehgetan hat.« Ich nicke und denke: Gott sei Dank, dass ich endlich gehandelt habe.