Sofie hatte sich gewehrt und ihren Stiefvater niedergeschlagen. Sie hatte es satt, sich misshandeln zu lassen. Ihre Mutter nahm es resigniert hin. Sie trank zu viel und hatte nur Augen für ihren neuen Mann. Mit dem Nötigsten verließ Sofie das Haus. Sie kannte ihr Ziel.
Die untergehende Sonne glänzte auf dem Wasser. Sie ging den schmalen Pfad am See entlang, in Richtung Wald. Durch die Bäume drang wenig Licht und Sofie schauerte es. Aber sie musste weiter, zu der kleinen Hütte, in der sie früher mit ihrem Vater gesessen und seinen Geschichten gelauscht hatte. Er hatte sie verlassen, weil er das Verhalten der Mutter nicht mehr ertragen konnte. Inzwischen war er verstorben, wie ihre Mutter behauptete. Er fehlte ihr sehr. Müde stapfte sie durch das Dickicht, bis sie an eine Lichtung kam. Wenige Meter, hinter dichten Bäumen versteckt, fand Sofie die halb verfallende Hütte. Keiner hatte sich darum gekümmert. Als Schutz musste es genügen, dachte sie. Die Nächte waren noch nicht so kalt. Sie wollte nur nachdenken, ob es nicht besser wäre, für immer zu verschwinden. Vielleicht konnte sie bei Tante Marie, der Schwester ihres Vaters, unterkommen. Nur weg von diesem Mann. In der Hütte legte sie sich auf das alte feuchte Sofa und deckte sich mit der mitgebrachten Decke zu. Sie schlief sofort ein. Gegen morgen, die Dämmerung brach herein, hörte sie es im Unterholz knacken. Sofie zitterte. Sollte er ihr gefolgt sein? Zum Weglaufen war es zu spät. Sie presste die Hände vors Gesicht, als sie ihren Namen rufen hörte. War das nicht …? Sie sprang auf. »Tante Marie, ich bin hier.« Sie stolperte ihrer Tante in die Arme.
»Meine Kleine, du kommst mit zu mir. Gut, dass deine Mutter dieses Mal vernünftig reagiert hatte und mich verständigte, als sie dich vermisste.«
Das vierzehnjährige Mädchen nickte beglückt.
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