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Sie musste es wagen, jetzt. Eine Gelegenheit, die sich so schnell oder nie wieder bieten würde. Angst schnürte ihr die Kehle zu. Er lag auf dem Sofa, hatte einige Schnäpse getrunken, die ihn vorübergehend einschlummern ließen. Sekunden vielleicht, dann würde er aufschnellen, sie packen und auf das Sofa ziehen. Mustafa tat es jeden Tag, wann immer es ihm passte. Er schlug sie, küsste sie, ritzte mit dem Messer kleine Wunden in ihre Haut, oder er vergewaltigte sie. Letzteres war für Maja das Schlimmste. Sie hasste es, wenn er mit seinem schweren, verschwitzten Körper über sie herfiel. Wie konnten ihre Eltern so grausam sein, sie zu verkaufen, wie eine Sklavin? Sie ließen sich von seinem großzügigen Angebot, das ihnen Reichtum versprach, verleiten. Maja würde es ihnen nie verzeihen.
Sie schaute auf den Mann, der sich zu regen begann. Rasch flüchtete sie hinaus in die glühende Sonne. Sie lief über den heißen Asphalt, die Straße entlang, bis zu dem kleinen Waldstück. Maja atmete auf, obwohl ihre nackten, verbrannten Fußsohlen höllisch schmerzten. Die junge Frau, eher noch ein Mädchen, rannte so schnell sie konnte, ohne zu wissen wohin.
Versteckt hinter Büschen und Bäumen, verbrachte sie die Nacht unter einer Remise. Sie hatte Angst, entdeckt zu werden und eilte frühmorgens weiter. Den ganzen Tag war sie unterwegs, aß das, was sie fand. Beeren, Wildkirschen und Kräuter. Abends stand sie vor einer düsteren Hütte, die unbewohnt zu sein schien. Vorsichtig trat sie ein. Sie war bewohnbar, eingerichtet mit einem klapprigen Bett, einem Tisch und einem Herd. Sie blieb dort, um Kraft zu sammeln und lebte von dem, was der Wald zu bieten hatte. Viele Tiere wurden ihre Freunde. Ein halbes Jahr später fühlte sie sich stark genug, diesem Widerling die Stirn zu bieten. Er durfte es nicht überleben, damit sie endlich frei sein konnte. Sie wusste, dass er ihr Verschwinden nicht gemeldet hatte. Er befürchtete Strafe, wenn die Wahrheit über ihn bekannt werden würde.
Eines späten Abends kam sie zurück und traf ihn an, wie immer, angetrunken. Er bemerkte sie nicht. Aus giftigen Kräutern hatte sie einen Trunk gebraut, den sie in die Whiskyflasche füllte. Danach schloss sie sich im Keller ein. Sie wusste, wenn er davon trinken würde, wäre er Minuten später tot. Nach einigen Stunden verließ sie auf leisen Sohlen ihr Versteck und schaute nach. Sie fand ihn vor, wie er es verdient hatte. Der Arzt stellte den Totenschein aus: »Akutes Herzversagen wegen übermäßigen Alkoholgenusses.«
Maja führte fortan ein schönes Leben und ging oft in den Wald, um die Tiere zu füttern, die ihr lieber waren als die Menschen.